Genesenen-Status nur noch drei statt sechs Monate gültig: Hört das RKI überhaupt noch auf die Wissenschaft?

Verkürzte den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate: RKI-Chef Lothar Wieler

Verkürzte den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate: RKI-Chef Lothar Wieler

Foto: Getty Images
Von: Filipp Piatov

Regel-Hammer vom Robert Koch-Institut (RKI)!

Am Samstag verkürzte das RKI die Gültigkeit des Genesenenausweises – von sechs auf drei Monate. Wer sich mit Corona infiziert, ist also nur noch drei Monate lang von der Quarantäne befreit.

Woher kommt der Sinneswandel? UND: Wie wissenschaftlich ist diese Entscheidung wirklich?

Auf BILD-Anfrage gibt sich das RKI schmallippig – und begründet die Entscheidung, die Millionen Bundesbürger betrifft, mit „wissenschaftlicher Evidenz“, die „darauf hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikronvariante haben“.

▶︎ Soll heißen: Wer genesen, aber nicht geimpft ist, ist nach Auffassung des RKI vor einer erneuten Omikron-Infektion schlechter und kürzer geschützt als bisher gedacht. Deshalb verfällt auch der Genesenenstatus nicht mehr nach sechs, sondern nach drei Monaten.

Allerdings liefert das RKI keine eigenen Daten oder Studien, sondern beruft sich auf die aktualisierte Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Das Gremium hatte Ende Dezember empfohlen, dass sich Genesene „ab drei Monaten nach der Infektion“ ihre Auffrischungsimpfung holen sollen.

Haben ein belastetes Verhältnis: RKI-Chef Lothar Wieler und Gesundheitsminister Karl Lauterbach

Haben ein belastetes Verhältnis: RKI-Chef Lothar Wieler und Gesundheitsminister Karl Lauterbach

Foto: Michael Sohn/AP

Aber taugt die STIKO-Empfehlung als Grundlage für die Änderung des Genesenenstatus?

In der Empfehlung der Ständigen Impfkommission heißt es, dass Genesene „im Abstand von mindestens 3 Monaten zur Infektion“ eine Impfung erhalten sollen. Heißt: Auch nach drei Monaten sieht die STIKO bei genesenen Bürgern noch einen Schutz gegen Corona – ansonsten würde die Impfung nicht nach „mindestens“, sondern nach „spätestens“ drei Monaten empfehlen.

Bemerkenswertes Detail: Auf seiner Website verweist das RKI auf zwei britische Studien sowie auf die STIKO-Empfehlung, um seine Entscheidung über den Genesenenstatus zu untermauern. Der Verweis auf die STIKO-Empfehlung wurde allerdings erst nachträglich eingefügt. Zunächst war auf der RKI-Website kein Verweis auf die STIKO zu finden, sondern nur auf die britischen Studien.

Schweiz: Genesenen-Nachweis 12 Monate gültig

In anderen europäischen Ländern gilt der Genesenenausweis derweil weiterhin deutlich länger als in Deutschland. In Österreich gelten Bürger sechs Monate nach einer Corona-Infektion als genesen, in der Schweiz sogar ein ganzes Jahr lang. In der Bundesrepublik gilt der Genesenenstatus nun faktisch nur noch zwei Monate, da der positive Test mindestens vier Wochen her und nicht älter als 90 Tage sein darf. Dazwischen bleibt ein Gültigkeitszeitraum von rund zwei Monaten.

Dabei hatte die Gesellschaft für Virologie sich Anfang Dezember dafür ausgesprochen, dass Genesene sich erst „6 Monate nach durchgemachter Infektion“ ihre Auffrischungsimpfung holen sollen. Die Forscher befanden also, dass Genesene sechs Monate lang einen guten Schutz gegen Corona haben.

So mächtig ist jetzt das RKI

Welche Regeln für Genesene in Deutschland gelten, bestimmt jedoch das Robert Koch-Institut – seit Neuestem sogar in besonderem Maße. Bis vor wenigen Tagen regelte die vom Bundestag und Bundesrat verabschiedete COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, wer als genesen gilt und von bestimmten Corona-Regeln (z.B. Quarantäne) ausgenommen ist.

Am Freitag beschloss der Bundesrat, dass nun das RKI eigenmächtig über den Genesenenstatus entscheiden darf. Nun ist die Gültigkeitsdauer des Genesenenausweises nicht mehr in der Verordnung festgelegt. Stattdessen heißt es dort, dass der Genesenenausweis „den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien“ entsprechen muss.

Heißt: Ändert das RKI seine Empfehlung, fließt das automatisch in die Verordnung mit ein. So wie jetzt: Am Freitag beschloss der Bundesrat, dass das RKI über den Genesenenstatus entscheiden darf – am Samstag veröffentlichte das RKI die Verkürzung von sechs auf drei Monate.

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