Was bisher falsch gelaufen ist – und was sich ändern sollte: Wie weitere Lockdowns verhindert werden müssen

Mit Maske und sichtlich ermüdet: Angela Merkel erklärte den Abgeordneten, was ihre Regierung unbedingt vermeiden wollte – den zweiten Lockdown

Mit Maske und sichtlich ermüdet: Angela Merkel erklärte den Abgeordneten, was ihre Regierung unbedingt vermeiden wollte – den zweiten Lockdown

Foto: Michael Kappeler / dpa
Von: Filipp Piatov

„Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich einander viel verzeihen müssen“ …

DIESEN Satz sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (40, CDU) im Frühjahr über den ersten Lockdown – und die Fehler, die die Bundesregierung damals machte. Fehleinschätzungen, zu überhastete, zu strenge, zu späte Maßnahmen. Es war eine Art Eingeständnis, wie es selten vorkommt bei Politikern.

Die Botschaft: Wir wissen, dass wir Fehler gemacht haben, wir werden aus ihnen lernen.

Doch Spahns Worte von damals scheinen in Berlin vergessen worden zu sein. Die Bundesregierung spricht nicht nur nicht über Fehlentscheidungen (weder aus dem Frühjahr, noch aus dem Sommer). Sondern sie hält auch unbeirrt an ihnen fest.

Wieder steht Deutschland da, wo es vor dem ersten Lockdown stand. Durchhalten, lautet die Parole, bis die Infektionszahlen sinken. Ja, selbstverständlich werden die Zahlen sinken, wenn Gaststätten zwangsschließen müssen und Menschen keine Menschen mehr treffen dürfen.

Aber was kommt danach?

Das fragte auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner (41) am Donnerstag im Bundestag: „Was passiert, wenn nach den Weihnachtsferien die Fallzahlen erneut steigen? Droht im Januar mit der dritten Welle auch der dritte Lockdown? Und dann die vierte Welle und der vierte Lockdown?“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (66, CDU), die statt vom Lockdown lieber von einer „befristeten nationalen Kraftanstrengung“ spricht, hat darauf keine Antwort. Die Ministerpräsidenten genauso wenig.

Merkel-Warnung bei Regierungserklärung„Der Winter wird schwer“

Quelle: BILD

Denn dass ein Lockdown „befristet“ ist, das ist nur ein schwacher Trost, wenn er wieder und wieder verhängt wird. Da die Bundesregierung stur an ihrer Strategie festhält, die uns in den zweiten Lockdown geführt hat, spricht derzeit nichts dafür, dass wir nicht auch einen dritten, vierten und fünften Lockdown erleben werden.

Machen wir uns nichts vor: Sobald die Regierungen die November-Beschränkungen aufheben, werden die Infektionszahlen steigen.

Dann tritt genau das ein, wovor Schwedens früherer Staatsepidemiologe Johan Giesecke im Gespräch mit BILD bereits im April gewarnt hat: Deutschland wankt von einem Lockdown in den nächsten. Ein Teufelskreis für Bürger und Betriebe.

Es brauche, so Giesecke, eine Strategie, die nicht nur einen Monat hält, sondern womöglich mehrere Jahre.

FDP-Chef LindnerWirksame Maßnahmen statt Lockdown-Spirale!

Quelle: BILD

Doch da dieser Hinweis aus Schweden kam, DARF er nach Auffassung der meisten deutschen Politiker ja gar nicht stimmen. Schweden, das einzige Land, das sich der Lockdown-Logik verweigert, ist zum Feindbild unserer Regierenden geworden, allen voran Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (53, CSU).

Sie zeichnen ein Zerrbild des schwedischen Modells: Demnach ziele es darauf, die Bevölkerung schnellstmöglich zu durchseuchen und nehme Tausende Tote billigend in Kauf, um sich bloß nicht einschränken zu müssen.

Ja, es stimmt, dass Schweden es im Frühjahr nicht geschafft hat, seine Alten- und Pflegeheime zu sichern und deshalb (Stand heute) mehr Tote pro Einwohner zu beklagen hat als Deutschland.

Ärzte-Aufstand gegen Merkels Lockdown-Plan!„Wir müssen uns auf einen Marathon einstellen“

Quelle: BILD

Doch die Schweden haben auch ihre Kontakte reduziert und auf Reisen verzichtet. Nur nicht aus staatlichem Zwang, sondern auf Empfehlung ihrer Regierung – und aus gesundem Menschenverstand.

Jetzt konzentrieren sie sich jetzt auf den Schutz jener, die das Virus am stärksten gefährdet und deren Ansteckungen am schnellsten zu überfüllten Intensivstationen führen. Auf den Schutz der Alten (etwa mit dringenden Empfehlungen, zu Hause zu bleiben).

Doch im Kanzleramt weigert man sich partout, sich in der Corona-Bekämpfung auf die Risikogruppen zu konzentrieren.

Dabei hatten genau dies Mediziner-Verbände und die Virologen Hendrik Streeck (43) und Jonas Schmidt-Chanasit (41) vorgeschlagen. Doch die Bundeskanzlerin schmetterte die Initiative ab. „Eine vollständige Abschirmung der Risikogruppen“ sei für sie keine Option.

Man muss ältere Bürger aber gar nicht vollständig isolieren, um sie besser zu schützen. Der Staat kann Angehörige von Risikogruppen bevorzugt und kostenlos testen und sie mit den besten Masken versorgen. Gesundheitsämter können Ausbrüche in diesen Gruppen mit Priorität verfolgen. Maßnahmen könnten sich danach richten, wie viele Ältere sich anstecken.

Und wenn der Staat sich zutraut, allen Deutschen von Familienbesuchen abzuraten, so kann er sich auch zutrauen, ältere Menschen vor Restaurant- und Museumsbesuchen zu warnen. Doch wieder will das Kanzleramt den Eindruck erwecken, dass seine Politik alternativlos ist.

Die Lage schönzureden, warnte die Kanzlerin, „beschwichtigendes Wunschdenken oder populistische Verharmlosung“, sei „nicht nur unrealistisch, es wäre unverantwortlich“.

Doch zu glauben, dass es nach dem zweiten Lockdown so weitergehen kann wie bisher, ist es auch.

BILD Restaurants: Sie sind auf der Suche nach den besten Restaurants Ihrer Stadt? Hier finden Sie alle auf einem Überblick!

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.